
Es ist zu früh. Viel zu früh. Es ist ein Feiertag, aber meinem Sohn ist das egal. Ich schaffe es gerade so, eine wertvolle pädagogische Maßnahme zu ergreifen. Fernsehen. Schlaftrunken klappe ich den Rechner auf, suche, finde und starte eine Tier-Doku über Grizzlybären in Alaska. Ich versuche einzuschlafen, aber irgendwann geht es um Sex. Signalworte. Ich bin hellwach. Emil ist Sex egal. Er sieht nur die Grizzlies. Diese riesigen Bären, die sich auf einer Wiese einfinden, um neue, riesige Bären zu zeugen. Unter diesen beeindruckenden Tieren gibt es einen Giganten. Er heißt Van. Van ist der größte Bär des Universums. Die Forscher übertreffen einander mit Superlativen. “A league of his own!” Van ist auf der Suche nach Alice. Er will nur diese eine Bärin. Die Forscher erklären mir und Emil, dass dieses Verhalten sehr ungewöhnlich sei. Und während auf der Wiese mehr und mehr paarungswillige Bären eintreffen, kriechen auch Emils Schwestern aus ihren Verstecken und quetschen sich zu uns auf die Couch.
Van und seine Kollegen sind damit beschäftigt sich selbst auf die Hintertatzen zu urinieren, um beim Laufen Duftmarken zu hinterlassen. Das wird ausgiebig gezeigt. Auch in Zeitlupe. Emils Schwestern finden das sehr eklig. Emil findet das nicht. Inspiriert jaulend springt er auf und rennt in Richtung Bad. Bevor er um die Ecke biegt, bleibt er stehen und brüllt “Ich hab’ einen Penis und muss Pipi!”. Bevor er sich auf die Füße pinkeln kann, ermutigen wir ihn im Chor: “Dann geh’ schnell aufs Klo!”
Emil ist weg und Van wird von einer Bärendame, die nicht Alice ist, zum Sex eingeladen. Er will Sex. Aber nicht mit ihr. Er gibt das der Bärin mehr als deutlich zu verstehen und beißt sie tot. Die Forscher sind entsetzt. Meine Töchter sind entsetzt. Ich bin entsetzt. Nur Alice findet es toll und nachdem sie Van tagelang hingehalten hat, lässt sie ihn nun gewähren. Neben der Leiche ihrer Kontrahentin. Die Natur und ihr Recht. Emil kommt erleichtert zurück und merkt das irgendwas nicht stimmt. Aber es ist ihm egal, weil in Alaska jetzt irgendein Jungbär irgendeinen Baum hinaufklettert.
Die Doku geht zu Ende. Van und Alice gehen getrennte Wege. Sie haben sich über einen Robben-Kadaver entzweit. Ida und Marie flüstern miteinander. Ich gehe duschen und lasse meine schockierten Kinder zurück.
Ich wasche mir gerade das Shampoo aus den Haaren. Als ich die Augen aufmache stehen da Marie und Ida und starren konzentriert auf meine Körpermitte. Instinktiv verberge ich meine Genitalien hinter der Ombia-Med-Flasche. Mit der freien Hand richte ich den Duschkopf auf die glotzenden Kinder. Sie stürzen schreiend davon. Dringend brauchen wir wieder einen Schlüssel für diese Tür. Auch wenn das bedeutet, dass ich Emil alle zwei Tage mit dem Freischneider aus dem Bad befreien muss.
Als ich erfrischt und gedemütigt ins Wohnzimmer komme, sitzen Marie und ihre kleine Schwester mit leuchtenden Augen auf der Couch. Sie halten zerlesene Tim und Struppi Comics in den Händen, aber das Thema ist ein anderes. Nämlich Maries neues Bio-Buch. “… und dann hat Jan-Hendrik gesagt, dass wir ja nicht Seite 56 aufschlagen sollen. Also haben alle Seite 56 aufgeschlagen.” Ida hält die Luft an und lauscht ihrer aufgeklärten Schwester. “Und stell dir mal vor, was da zu sehen ist. Ein paar Nackte sind da zu sehen. Und die machen Sex!” Ida stellt flüsternd den visuellen Kontext her, “wie die Bären!” Marie blinzelt irritiert. “Na ja. Nein. Also. Fast.” Sie denkt angestrengt nach. Wie die Nackten denn ausgesehen hätten, will Ida von ihrer Schwester wissen. “Die Frau hatte lange, blonde Haare und der Mann hatte kurze braune…” Ida schlägt erschrocken die Hände vor dem Mund zusammen. “Die kenne ich!”
Irgendwo in Alaska lachen sich Van und Alice in die blutigen Tatzen und haben Sex auf grünen Wiesen.
Danke für diese Erheiterung am Dienstagabend. Wir haben Tränen gelacht.
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Und die machen Sex!” Ida stellt flüsternd den visuellen Kontext her, “wie die Bären!” Marie blinzelt irritiert. “Na ja. Nein. Also. Fast.”
Tjaaaa…da helfen OmbiaMed-Flaschen nicht weiter. Da ist eindeutig die eine oder andere Klärung angesagt. Sonst ist die nächste Szene die, in der sie in der Küche die Mami fragen, ob Papi schon mal versucht hat, sie auch totzubeißen. Oder so in der Art.
Viel Spaß 😀
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Ich musste bei diesem Text soo lachen! Herrlich geschrieben! Und ich freue mich gerade wahnsinnig, dass eines deiner Kinder Ida heißt, weil ich so selten jemanden mit meinem Namen ‚finde‘ 🙂
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Na ja… so heißt sie natürlich nicht wirklich. Aber es ist trotzdem ein hübscher Name.
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Hihi, einer meiner Lieblingsposts der Woche! Danke schön 🙂
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